Die Landesarbeitsgemeinschaft der Gedenkstätten und Erinnerungsinitiativen in Hessen (LAG Hessen) ist besorgt über den zunehmenden Antisemitismus, Antiziganismus, Ausgrenzung und die Zunahme an rechter Gewalt. Gerade auch durch die sog. Querdenkerszene werden rechte Verschwörungstheorien und Gewaltphantasien gestärkt und unsere demokratische Grundordnung bedroht. Besonders in Hessen ist die extreme Rechte aktiv und gewalttätig: der Mord des NSU in Kassel an Halit Yozgat, der Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke und im letzten Jahr die Morde in Hanau. Seit fast 3 Jahren bekommen die Anwälten Seda Bassey-Yildiz und andere Morddrohungen, unterzeichnet mit NSU 2.0. Rechte sitzen mit der AfD in den Parlamenten.
Diese Entwicklung ist besorgniserregend, insbesondere da die Aufklärung zu den rechten Netzwerken zufriedenstellend ist. Zu schnell wird von Einzeltätern gesprochen
Unverständlich ist für uns in diesem Zusammenhang, dass eine Ausstellung mit dem Titel „Aufgeklärt statt Autonom“1 für die hessischen Schulen erstellt und Ende 2019 an die Schulen verbreitet wurde. Diese Ausstellung polemisiert einseitig gegen links, indoktriniert politisch und redet rechte Gewalt klein.2 Zu Recht interveniert die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) gegen diese Ausstellung. In dem Gutachten von Christoph Bauer und Dr. Martina Tschirner Seminar/Institut für Didaktik der Sozialwissenschaften an der Goethe-Universität Frankfurt) wird deutlich, dass die Ausstellung:
- nicht den Anspruch von Wissenschaftlichkeit erfüllt. So werden z.B. keine Quellen genannt oder Begriffe definiert
- sich bei der Definition von Extremismus und beim Zahlenmaterial sich nur aus den Quellen des Verfassungsschutzes stützt,
- einseitig, plakativ und suggestiv ist. Damit widerspricht sie allen pädagogischen Grundsätzen, besonders dem Beutelsbacher Konsens,
- junge Menschen politisch manipuliert und Engagement kriminalisiert wird.
Beide Autor*innen, die sich im übrigen im Vorstand des Landesverbands Hessen der Deutschen Vereinigung für Politische Bildung e.V. (DVPB) engagieren konstatieren: Diese Ausstellung ist inhaltlich und pädagogisch eine Katastrophe, wie das von der Lehrergewerkschaft GEW in Auftrag gegebene Gutachten deutlich macht.3
1 https://aufgeklärt-statt-autonom.de
2 https://www.lehrer-online.de/inhalte/dossiers/geschichte-und-politikgesellschaftswissenschaften/ aufgeklaert-statt-autonom-projektinformationen/
3 https://www.gewhessen. de/fileadmin/user_upload/bildung/themen/pol_bildung/200204_gutachten_auf geklaert_statt_autonom_web.pdf
Verantwortet wird die Ausstellung vor allem von Dr. Alexander Jehn, Direktor der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung, und dem Lobbyverband Eduversum GmbH, dessen Präsident Dr. Jehn ist, dem Hessischen Ministerium des Innern und für Sport und der Arbeitsgemeinschaft Jugend und Bildung e. V. .
Unsere Erfahrungen vor Ort sind….
- Für NS-Gedenkstätten ist im Gegensatz zu dieser Ausstellung der Weg in die Schulen bedeutend schwieriger. Mit den vermuteten Mitteln, die für dieses Projekt verwendet worden sind, würden wir gerne als LAG Hessen arbeiten.
Dies umfasst auch Themen wie
- NS-Zwangsarbeit (Rassismus)
- Widerstand und Verfolgung
- Euthanasie
Auf der aktuellen Homepage der HLZ tauchen als Erinnerungsorte lediglich Breitenau und Hadamar auf, alle anderen Orte der Erinnerung sind verschwunden. Die hessische Erinnerungskultur zeichnet sich dagegen insbesondere durch ihre Pluralität und durch ihr zivilgesellschaftliches Engagement aus. Hierzu gehören:
- Kleine Erinnerungsinitiativen z.B. zu jüdischem Leben
- Widerstand gegen das NS-Regime
- Zwangsarbeit und Konzentrationslager
- Von zivilgesellschaftlichem Engagement gegründete und betriebene Gedenkstätten und Initiativen
Wir wünschen uns, dass diese nicht nur auf der Homepage der HLZ, sondern auch in einer institutionellen Förderung wahrgenommen und wertgeschätzt werden.
Hierzu gehört – neben der Aufklärung des fragwürdigen Ausstellungsprojekts eine klare Stellungnahme. Die Zusammenarbeit der LAG Hessen mit der HLZ wird dadurch erheblich beschädigt und die weitere Kooperation erschwert und führt zu Fragen nach der Ausrichtung der Förderung hessischer Gedenkstätten und Erinnerungsinitiativen.
Unter politischer Bildung verstehen wir als Träger der Erinnerungsarbeit in Hessen etwas ganz anderes. Es ist nicht damit getan, dass die Ausstellung nicht mehr auf der Seite der Regierung zu finden ist. Es muss aufgearbeitet werden, wie es zu der Ausstellung kommen konnte. Das muss Konsequenzen haben.
Gedenken hat immer auch etwas mit der Gegenwart zu tun, es ist die Aufgabe aller Demokraten, jeder Form von Ausgrenzung, Diskriminierung, Antisemitismus, Antiziganismus und rechter Gewalt entschieden entgegenzutreten.
(Verabschiedet auf der Sitzung der Landesarbeitsgemeinschaft der Gedenkstättenkonferenz in Hessen am 30.9.2021)